Die Seestreitkräfte der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) existierten von 1956 bis 1990 und trugen den Namen Volksmarine. Diese wiederum war eine Teilstreitkraft der Nationalen Volksarmee und diente vor allem der Küstenverteidigung an der Ostseeküste und in den Hoheitsgewässern der DDR.
Gründungsdatum und Geschichte
Schon bald nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und dem Beginn des Kalten Krieges leitete die Sowjetunion die Wiederbewaffnung der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) ein, die im Oktober 1949 als Satellitenstaat der Sowjetischen Besatzungszone gegründet worden war. Ab 1950 bauten sowjetische Marineoffiziere die Hauptverwaltung Seepolizei mit auf, die am 1. Juli 1952 in Volkspolizei-See (VP-See) umbenannt wurde.
Gleichzeitig wurden Teile der ehemaligen Seepolizei in die neue Grenzpolizei-See zum Schutz der Seegrenzen umorganisiert und in die 1946 gegründete Deutsche Grenzpolizei eingegliedert. Bis 1952 wurde die VP-See auf etwa 8.000 Mann geschätzt.
Am 1. März 1956 schuf die DDR formell ihre Streitkräfte, die Nationale Volksarmee (NVA), und die VP-See wurde zur Verwaltung Seestreitkräfte der NVA mit rund 10.000 Mann. Ab November 1960 wurden diese Seestreitkräfte der Nationalen Volksarmee offiziell als Volksmarine bezeichnet.
In den folgenden Jahren erhielt die Marine nach und nach eine Reihe neuer Schiffe, die zumeist in der DDR gebaut wurden. Lediglich die Küstenschutzschiffe und einige der schnellen Torpedoboote wurden von der Sowjetunion gestellt, ebenso wie alle Hubschrauber, und einige Hilfsboote wurden aus Polen gekauft.
Nach dem Bau der Berliner Mauer am 13. August 1961 wurde die Grenzbrigade Küste der Grenzpolizei (GBK) in die Volksmarine eingegliedert. Mit der Umstrukturierung 1965 fasste man alle Angriffskräfte, d. h. die schnellen Torpedoboote, in einer einzigen Flottille (der 6. Flottille) zusammen und stationierte diese auf der Halbinsel Bug auf Rügen.
In den 1970er Jahren war die Volksmarine auf etwa 18.000 Mann angewachsen. In den 1980er Jahren wurde ein Teil der Schiffe ersetzt, und die Volksmarine erwarb mehrere Jagdbomber sowjetischer Bauart. In den Jahren 1985 bis 1989 verursachte die Volksmarine etwa 180 gemeldete Zwischenfälle aufgrund eines maritimen Grenzstreits mit Polen in der Pommerschen Bucht, in anschließenden Verhandlungen sprach man etwa zwei Drittel des umstrittenen Seegebiets der DDR zu.
Auflösung der Volksmarine
Die Volksmarine wurde wie alle anderen Truppengattungen der ehemaligen Nationalen Volksarmee am 2. Oktober 1990 – ein Tag vor der offiziellen Wiedervereinigung Deutschlands – aufgelöst. Ein Teil des Personals ging in der Bundesmarine auf (die fortan „Deutsche Marine“ hieß), ein anderer Teil wurde vom Bundesgrenzschutz übernommen.
Die meisten Schiffe und Ausrüstungsgegenstände wurden abgewrackt oder verkauft, etwa ein Drittel der Schiffe ging an die indonesische Marine, andere nach Spanien, wie etwa der Aufklärer Jasmund. Nur wenige ehemalige Schiffe der Volksmarine sind heute noch in der Deutschen Marine im Einsatz.
Gliederung der Volksmarine
Die Gliederung der Volksmarine sah wie folgt aus:
Führung und Unterstützung
- Kommando der Volksmarine
- Stabsabteilungen (u. a. für Politik, Logistik, Ausbildung)
- Technische Dienste (u .a. für Instandhaltung, Versorgung)
Seestreitkräfte
- Flottillen (z. B. Flottille (Gemischter Verband), 1. Flottille für U-Boote, 6. Flottille für Schnellboote)
- Geschwader (z. B. Geschwader für Minensucher und Minenräumer)
- Küstenverteidigungstruppen (u. a. für Hafen- und Küstenschutz)
Luftstreitkräfte
- Marinefliegergeschwader (u. a. für Aufklärung, Seezielbekämpfung)
Grenzbrigade Küste
- Überwachung und Absicherung der Seegrenze der DDR
Die Gliederung der Volksmarine variierte im Laufe der Zeit und wurde entsprechend den militärischen Anforderungen und politischen Entwicklungen angepasst.
Operative Aufgaben der Volksmarine
Die Volksmarine war in erster Linie eine Küstenschutztruppe, aber auch Offensiveinsätze und amphibische Angriffe gegen die NATO gehörten zu ihrer Ausbildung und Planung. Sie wurde operativ in die Vereinigten Ostseeflotten der Warschauer-Pakt-Staaten eingegliedert, um im Kriegsfall an deren Seite zu stehen. Ihr Einsatzgebiet war die Ostsee und die Eingänge zur Ostsee.
Im Falle eines offenen Krieges zwischen dem Warschauer Pakt und der NATO bestand die Hauptaufgabe der Volksmarine darin, die Seewege für die sowjetische Verstärkung offen zu halten und sich an Offensivaktionen gegen die Küsten der feindlichen Staaten in der Ostsee zu beteiligen.
Zu diesem Zweck war sie mit leichten Kräften wie Anti-U-Boot-Schiffen, schnellen Torpedobooten, Minenräumbooten und Landungsbooten ausgerüstet. Der Routinedienst konzentrierte sich auf umfangreiche Aufklärungsaktivitäten, die hauptsächlich von den Minensuchbooten und spezialisierten elektronischen Überwachungsbooten durchgeführt wurden.
Die 6. Grenzbrigade (Küste) hatte eine besondere Verantwortung für die Verhinderung der Republikflucht (Ausreise ohne offizielle Genehmigung). Mit Wirkung vom 1. November 1961 wurde sie der Volksmarine unterstellt. Sie verfügte über eine beträchtliche Anzahl von kleinen Patrouillenbooten und Überwachungsposten entlang der Küste.
Wo sind heute noch Relikte der ehemaligen Volksmarine der DDR zu finden?
Heute sind noch zahlreiche Relikte der ehemaligen Volksmarine der DDR zu finden, sowohl in Deutschland als auch im Ausland. Beispiele dafür sind:
Hafenanlagen
An vielen ehemaligen Stützpunkten der Volksmarine, wie z. B. in Rostock, Peenemünde oder Warnemünde, sind noch heute Hafenanlagen und Pieranlagen zu sehen, die einst von der Marine genutzt wurden.
Museen und Gedenkstätten
In verschiedenen Städten Deutschlands gibt es Museen und Gedenkstätten, die an die Geschichte der Volksmarine erinnern. Dazu gehören etwa das Marinemuseum Peenemünde auf Usedom, das Museum „Küstenverteidigung“ in Rostock oder das Militärhistorische Museum der Bundeswehr in Dresden.
Schiffe
Einige Schiffe der ehemaligen Volksmarine sind noch heute erhalten und können besichtigt werden, wie z. B. das ehemalige Flaggschiff der Volksmarine, das Minenjagdboot „Frettchen“, das heute in Stralsund liegt.
Küstenbunker
An der Küste der DDR wurden zahlreiche Bunkeranlagen errichtet, die heute noch teilweise erhalten sind. Diese wurden von der Volksmarine genutzt, um u.a. Material zu lagern und als Schutzbunker im Fall eines Angriffs.
Des Weiteren wird natürlich auch das Wissen der Volksmarine heute noch im Rahmen der Bundeswehr weitergegeben, u. a. das Ablesen der Beaufort- und Petersen-Skala, die Zusammenhänge zwischen Wind und Wellen oder das Binden eines Matrosenknoten.
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