Wir sitzen heute weite Teile des Tages. Ob im Auto, am Esstisch, im Büro, in der U-Bahn oder im Bus. Eine so riesige Auswahl an unterschiedlichen Sitzmöglichkeiten und Sitzmöbeln gab es nicht immer.
Wir zeigen Ihnen im folgenden Artikel, wie sich das Sitzen im Laufe der Jahrtausende verändert und sich die Mobiliarauswahl in dieser Zeit entwickelt hat – von einem Statussymbol der herrschenden Klasse hin zu einem ganz normalen Alltagsmöbelstück.
Manche Möbelstücke, wie das Wasserbett zum Beispiel, wurden vor mehr als 1.000 Jahren erfunden und erlebten in der Neuzeit mit den Möglichkeiten moderner Fertigung einen Boom. Die Entwicklung der Sitzmöbel bildet da keine große Ausnahme.
Die Geschichte der Sitzmöbel
Die nachweisbare Geschichte der Sitzmöbel beginnt im alten Ägypten vor etwa 3.500 Jahren. Damals nutzte man Bänke, Hocker und Klappstühle, um sich hinzusetzen. Aufwändig gearbeitete Stühle gab es nur in den Häusern der Reichen und Mächtigen – Bequemlichkeit war damals allerdings nicht das erste Ziel einer Sitzgelegenheit. Am Anfang war der Stuhl vor allem ein Statussymbol.
Sitzmöbel in der Antike
Kinder in den Schulen der Ägypter oder Schreiber in den Schreibstuben saßen beispielsweise auf einem Kissen auf dem Boden. Auch einfache Familien nahmen in ihren Häusern auf dem Boden Platz. Wer einen Stuhl hatte, bewies damit seinen Status. Die Sitzflächen waren aus Holz gemacht – teilweise waren Bänke und Schemel auch aus Stein gearbeitet.
Etwas Bequemlichkeit brachte eine Polsterung aus Kissen, wie sie auch für die auf dem Boden Sitzenden genutzt wurden. Tatsächlich blieb das über Jahrhunderte hinweg so. Während Betten und Liegen immer bequemer wurden und die Menschen in vielen Teilen der Welt zum Essen beispielsweise eher an den Tischen lagen als saßen, bleiben Sitzmöbel eine harte Angelegenheit.
Auch wenn sie mit der Zeit immer filigraner gearbeitet wurden. Ein hölzerner Prunkstuhl, der im Grab eines römischen Offiziers lag, wurde im Rahmen einer Fotoausstellung mit entsprechender Begleitzeitschrift in Berlin präsentiert. Solche und ähnliche Möbelstücke aus der späten Antike zeigen, dass sich die Möbelherstellung im Laufe dieser langen Epoche durchaus veränderte. Von einem reinen Nutzmöbelstück hin zu einem Möbelstück mit mehr Eleganz und filigranen Verzierungen.
Thron und Statussymbol im Mittelalter
Wie bei vielen Dingen machten die Menschen auch bei der Sitzmöbelherstellung im Mittelalter eher Rück- als Fortschritte. Die Zahl der Möbelstücke zum Sitzen nahm zwar zu – genutzt wurden aber überwiegend rau verarbeitete Holzbänke, Dreifußhocker, Kisten- oder Faltstühle. Lehnstühle gab es vor allem für Adlige, Burgherren und die herrschende Klasse.
Die Produktion eines mit Stoff bezogenen Lehnstuhls war extrem aufwändig, weshalb selbst diese zumeist nur aus Holz bestanden. Könige und Päpste saßen zu dieser Zeit vergleichsweise bequem – der Rest musste sich mit der harten Holzbank begnügen.
Renaissance: Kunstvolles Handwerk und Komfort
Florenz gilt bis heute als die Geburtsstätte dieser Epoche. Erst in dieser Phase begann man, Stühle richtig zu polstern. Das Sitzen wurde auch für diejenigen, die über ein gutes Einkommen verfügten, aber nicht zur ganz reichen herrschenden Klasse gehörten, zu einem erschwinglichen Luxus.
Der Nachteil bei Polsterungen von Faltstühlen – je dicker die Polsterung wurde, desto schwerer ließen sie sich zusammenklappen und platzsparend verstauen. In dieser Zeit lässt sich auch die Entwicklung des Schaukelstuhls verorten.
Barock & Rokoko: Prunkvolle Sitzmöbel
Erst in der Barockzeit wurden Sitzmöbel prunkvoll – und extrem abwechslungsreich. Das Design wurde vielfältiger. Geschwungene Armlehnen wurden herausgearbeitet, die Füße wurden durch Stege miteinander verbunden, und in das Holz wurden filigrane Schnitzarbeiten eingefügt. Beschläge aus Metall waren an der Tagesordnung, und Bezüge aus Stoff und Leder machten die Stühle und Sessel nicht nur bequemer, sondern verliehen ihnen auch einen gewissen Glanz.
Verschlungene Motive und ausholende Rundungen waren die Elemente, mit denen in dieser Zeit gearbeitet wurde. Im Rokoko veränderte sich der Stil noch einmal. Die runden Formen wurden immer ausgeprägter, hinzu kamen jetzt Muschelformen, Schnitzereien und bunte Farben. In dieser Zeit begann man Sitzmöbel nach ihrer Bequemlichkeit zu bewerten – ein wichtiger Faktor, der die Möbelherstellung revolutionierte.
Klassizismus bis Biedermeier: Schlichte Eleganz
Dann folge der Klassizismus. Wie oft in der Geschichte empfand man die Elemente des vergangenen Zeitalters als verwerflich – so auch im Klassizismus. Die Ausschweifung und das Kokettieren mit Formen und Glanz und Glamour wichen einer neuen Steifheit. Die Einfachheit der Antike wurde wieder in den Vordergrund gerückt. Klare und grade Linien, schlichte Kanten und eine elegante Zurückhaltung hielten Einzug in die Möbelproduktion.
Was blieb war ein Hang zur Bequemlichkeit. Sitzmöbel aus dieser Zeit kamen vor allem gradlinig daher, mit fester Polsterung und hoher Rückenlehne. Im Biedermeier war es die schlichte Funktionalität, die schließlich die Oberhand gewann.
Die Rückenlehnen in dieser Zeit bestanden nicht mehr zwangsläufig aus einem Stück – oft waren durchbrochen und einfach geschnitzt. Vor allem Sessel und Sofas waren die Möbel dieser Zeit – wuchtig und tief gepolstert kamen diese Möbelstücke daher und hielten Einzug in die Häuser der Wohlhabenden.
Industrielle Revolution: Massenproduktion beginnt
Ab ca. 1850 wurden Möbel zunehmend auch industriell gefertigt. Zwischen 1850 und 1900 begann man vor allem „alte“ Stilelemente zu kopieren. In der industriellen Fertigung lebten Stile wie das Barock oder Rokoko ebenso wieder auf, wie Formen und Designs aus der Renaissance und der Antike. Erst mit dem auslaufenden 19. Jahrhundert setzte der Jugendstil wieder neue Maßstäbe.
Moderne im 20. Jahrhundert: Funktionalität und Design
Es wurde wieder mehr Individualität gefordert. Ornamente aus der Tier- und Pflanzenwelt fanden Einzug in die Verzierungen von Tischen und Stühlen. Die Industrialisierung hatte das Kunsthandwerk im 19. Jahrhundert vertrieben – in der Epoche des Jugendstils im frühen 20. Jahrhundert wollte man wieder individuellere Möbel herstellen. Deshalb wurden die Werkstätten so umgebaut, dass zwar immer noch in Masse produziert werden konnte, die Auswahl an unterschiedlichen Möbelstücken aber größer wurde.
Mahagoni, Eiche, Nussbaum und Birne waren die Hölzer dieser Zeit – das Material wurde lackiert oder gebeizt. Beschläge aus Gusseisen, Bronze oder Stahl waren ebenfalls normal.
Bauhaus und ergonomisches Denken
100 Jahre Bauhaus wurden im Jahr 2019 gefeiert. Auch wenn die Hochschule nur rund 15 Jahre aktiv war, hatte sie doch einen enormen Einfluss auf die Stilentwicklung der folgenden Jahrzehnte.
Stahlrohrmöbel und der Freischwinger-Stuhl waren Elemente, die man bis heute mit dem Bauhaus-Stil in Verbindung bringt und die man bis heute in den Haushalten der Republik findet.
Kunststoff, Metall & neue Materialien ab den 1950ern
Ab den 1950er Jahren waren es neue Kunststofftechnologien, die es möglich machten, Stühle in einem Guss- oder Pressverfahren in wenigen oder sogar nur einem Produktionsschritt zu fertigen. Der weiße (oder heute auch in anderen Farben erhältliche) Kunststoffstuhl war geboren. Als Stapelstuhl perfekt zu verstauen, günstig in der Produktion und daher für jeden erschwinglich und damit heute aus vielen Gärten und Campingausrüstungen nicht mehr wegzudenken ist der weiße Kunststoffstuhl das am weitesten verbreitete Möbelstück der Welt.
Nachhaltigkeit & Ergonomie im 21. Jahrhundert
Nachhaltigkeit und Ergonomie sind zwei große Schlagworte unserer Zeit. In der Möbelproduktion wird heute mehr denn je auf die Auswahl der Materialien, die Umweltfreundlichkeit der Produktionsverfahren und die Herkunft der Hölzer geachtet. Stühle wie die Angebotspalette von Aeris beispielsweise sind so konzipiert, dass dynamisches Sitzen möglich ist. Allgemein wird bei der Auswahl von Sitzmöbeln mehr auf die eigene Gesundheit und den Umweltschutz geachtet.
Berühmte Sitzmöbel der Filmgeschichte
Der wohl bekannteste Stuhl der Filmgeschichte dürfte der Eiserne Thron von Westeros sein – auch wenn es einen solchen Thron nie gegeben hat, wurde von den Machern der Serie „Game of Thrones“ bzw. dem Autor der Buchreihe „Das Lied von Eis und Feuer“ der mittelalterliche Verzicht auf Komfort selbst bei Königsthronen wunderbar verarbeitet.
Fazit
Die Geschichte der Sitzmöbel ist in etwa so lang und spannend wie die Entwicklung der Raumgestaltung an sich. Heute gibt es nicht mehr den einen Stil, sondern eine Vielzahl unterschiedlicher Stilrichtungen, aus denen man nach dem eigenen Geschmack auswählen kann. Vor allem die Entwicklung im Bereich der Ergonomie der letzten Jahre macht es dabei auch möglich, Rückenleiden und anderen gesundheitlichen Problemen, die durch zu viel sitzende Tätigkeit verursacht werden können, entgegenzuwirken.